Der Ursprung des Jubiläums

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Giubileo - 1 Die Bulle Antiquorum habet fida relatio, mit der im Jahr 1300 das erste römische Jubiläum verkündet wurde, wurde auf der Fassade der alten Basilika St. Peter abgebildet, und dieses eingravierte Dokument befindet sich heute oben links an der Heiligen Pforte.

Eine spontane, aus dem Volk kommende Bewegung führte zum ersten Jubiläum. Papst Bonifatius VIII., der in einer für die Kirche komplexen Zeit lebte, akzeptierte die spontanen Bitten der Gläubigen, die zu Beginn des neuen Jahrhunderts die Vergebung der Sünden und den Erlass der Sündenstrafen erlangen wollten, und rief im Jahr 1300 ein Jubeljahr für die Kirche aus. Denjenigen, die gegen die Mauren in Spanien (Alexander II., 1063) oder für die Befreiung Jerusalems (Urban II., 1095) gekämpft hatten, waren bereits Erlasse gewährt worden. Honorius III. gewährte Franz von Assisi – der eines Nachts im Juli 1216 bei einer Erscheinung Christi und der Jungfrau Maria die außerordentliche Verheißung erhalten hatte, dass diejenigen, die im Laufe der Jahrhunderte in der Portiunkula beten, den vollständigen Erlass ihrer Sünden erlangen würden (Vergebung von Assisi) – den gewünschten Ablass, und derselbe Papst gewährte ihn später auch denjenigen, die zum Grab von Thomas Becket (1220) pilgerten, der in der Kathedrale von Canterbury ermordet worden war. Schließlich gewährte Papst Coelestin V. allen, die zur Basilika Santa Maria di Collemaggio (L’Aquila, 29. September 1294) pilgern, die sogenannte Perdonanza Celestiniana [Cölestinische Vergebung].

Mit der Bulle Antiquorum habet fida relatio – „Es gibt eine glaubwürdige Zustimmung der Ältesten, dass diejenigen, die die ehrwürdige Basilika des Apostelfürsten in Rom betreten, eine bedeutende Vergebung und Ablass für ihre Sünden erhalten“ – wurde also das erste römische Jubiläum ausgerufen, das einen großen Pilgerstrom nach Rom während des gesamten Jahres 1300 auslöste, wie Kardinal Jacopo Stefaneschi berichtet (De centesimo sive nubile anno liber). Die Bulle, die vervielfältigt und weit verbreitet wurde, ist in die Fassade des alten Petersdoms eingraviert und befindet sich heute oben links neben der Heiligen Pforte.

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Gerade wegen der Bedeutung, die den Ablässen zugeschrieben wurde, die seit dem frühen Mittelalter von den Päpsten unter bestimmten Umständen denjenigen gewährt wurden, die zum Grab des Heiligen Petrus nach Rom, ins Heilige Land und nach Santiago de Compostela pilgerten, begriff Bonifatius VIII., ein gebildeter und visionärer Mann, die spirituellen Bedürfnisse der Menschen seiner Zeit, und es gelang ihm, das Jubeljahr mit richtungs-weisenden Merkmalen auf ewig einzuführen.

Bonifatius VIII. legte damals fest, dass das Jubiläum alle 100 Jahre stattfinden sollte, und verdoppelte damit das biblische Intervall von 50 Jahren, das der jüdischen levitischen Tradition entsprach. Die Bulle wurde am 22. Februar, dem Fest Kathedra Petri in St. Peter gegeben. Damit verband der Papst den vollständigen Jubiläumsablass mit seiner apostolischen Autorität als Nachfolger Petri und handelte kraft des Auftrags Jesu an Petrus, die Sünden zu vergeben.

Den Berichten zufolge strömten beim ersten Jubiläum der Geschichte Hunderttausende von Pilgern nach Rom, obwohl eine solche Reise schwierig und risikoreich war (Krankheiten, Räuber, Betrüger, unsichere Transportmittel, schlechte Straßen usw.). Unter ihnen befanden sich auch Dante, Cimabue und Giotto.

Der spirituelle Erfolg des ersten Jubiläums war unerwartet und machte aus Rom den Mittelpunkt der christlichen Welt, da es sehr kompliziert und gefährlich geworden war, ins Heilige Land zu reisen.

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Dieser Erfolg brachte Bonifatius VIII. dazu festzulegen, dass das Jubiläum wie gesagt alle hundert Jahre gefeiert werden sollte, doch Clemens VI. (1350) entschied, dass es alle fünfzig Jahre gefeiert werden sollte, was vielen die große Chance gab, es wenigstens einmal in ihrem Leben zu erleben. Urban VI. (1389) beschloss dann, es alle 33 Jahre zu feiern und Paul II. (1475) schließlich alle 25 Jahre.

Die Jubiläen Unserer Zeit

Die vergangenen hundert Jahre waren ein Zeitraum, in dem die meisten  ordentlichen Jubiläen gefeiert wurden. Neben den ordentlichen Jubiläen – alle 25 Jahre – gab es mehrere außerordentliche Jubiläen.

Ordentliche Jubiläen

Pius XI., ein gebildeter und „ausgleichender“ Mann, berief das Jubiläum 1925 am Fest Christi Himmelfahrt mit der Bulle Infinita Dei misericordia (1924) ein. Die Geißel des Großen Krieges hatte viele tiefe soziale, politische und religiöse Wunden hinterlassen, und die sogenannte Questione Romana [Römische Frage], das heißt der Konflikt zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl (Kirchenstaat) war noch nicht beigelegt. Bei diesem Jubiläum forderte der Papst zu einem dauerhaften Frieden sowie zur Rückkehr derjenigen in die Kirche auf, die sich von ihr entfernt hatten. Zudem rief er zu einer Lösung für die Situation im Heiligen Land auf, wo die Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Juden bereits begonnen hatten. Er wandte sich dann an die Missionen, um den jungen, im Entstehen begriffenen Ortskirchen Raum zu geben, und wollte das Christkönigsfest einführen (Enzyklika Quas primas, 1925).

Pius XII. rief mit der Bulle Jubilaeum maximum das Jubiläum von 1950 aus, wobei ihm Frieden und Versöhnung in einer durch den Zweiten Weltkrieg verwüsteten Welt am Herzen lagen. In jenem Jahr verkündete der Papst mit der Bulle Munificentissimus Deus das Dogma von der Aufnahme Marias in den Himmel. Gelehrte berichten, dass der Papst am Vorabend der Verkündung des Dogmas in den vatikanischen Gärten staunend Zeuge eines Phänomens wurde, das dem „Sonnenwunder“ ähnelte, von dem die Erscheinungen Unserer Lieben Frau von Fatima 1917 berichten. Am Ende des Heiligen Jahres verkündete Pius XII. in seiner Weihnachtsbotschaft im Radio am 23. Dezember 1950, dass das Grab Petri in der Krypta des Vatikans identifiziert worden sei.

Paul VI. wünschte, dass das 25. Jubiläum der Geschichte (1975) der Erneuerung und der Versöhnung gewidmet sei. In Erinnerung an die zehn Jahre, die seit der Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikationen zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche vergangen waren, küsste er dem orthodoxen Metropoliten Meliton, dem Leiter der Delegation des Patriarchats von Konstantinopel die Füße. Eine eindrückliche Geste, ein Zeichen der Demut des zu Ende gehenden Heiligen Jahres, das im Einklang mit dem Sinn der Jubiläen der Kirche und des Zweiten Vatikanischen Konzils stand, das von Johannes XXIII. einberufen und von ihm zu Ende geführt worden war.

Johannes Paul II berief das Große Jubiläum des Jahres 2000 ein, in dessen Rahmen er den Weltjugendtag (15.-20. August) mit der Teilnahme von mehr als zwei Millionen Jugendlichen in Rom organisierte. Bei einer ökumenischen Feier äußerte der Papst den Wunsch, dass die Christen in naher Zukunft wieder gemeinsam als ein Volk vorangehen und im Dienst der Wahrheit nie wieder Gesten gegen die Gemeinschaft der Kirche, Beleidigungen gegenüber irgendeinem Volk, Gewaltanwendung, Diskriminierung, Ausgrenzung, Unterdrückung oder Verachtung für die Armen und Letzten an den Tag legen würden.

Mit Papst Franziskus feiern wir das 27. ordentliche Jubiläum seit der Einführung der Jubiläen unter dem Zeichen der Hoffnung, die nicht enttäuscht.

Außerordentliche Jubiläen

In der Kirche wurden auch verschiedene außerordentliche Jubiläen gefeiert. Die jüngsten sind die von Pius XI.: 1929 aus Anlass seines 50. Priesterjubiläums und 1933 aus Anlass des 1900. Todestages Jesu. Zum ersten Mal wurde die Öffnung der Heiligen Pforte im Radio übertragen.

Paul VI. berief 1966 ein fünfmonatiges außerordentliches Jubiläum zum Abschluss des Konzils ein, und Johannes Paul II. 1983-1984 zum Gedenken an den 1950. Jahrestag des Todes und der Auferstehung des Herrn.

Schließlich wünschte Papst Franziskus 2015-2016 ein neuerliches Jubiläum zum 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils, das er der Barmherzigkeit widmete. Es war von der außergewöhnlichen Eröffnung einer Jubiläumspforte in Bangui (Zentralafrikanische Republik) geprägt, einem Land, das von jahrelangen internen Kriegen zerrissen wurde.

 

(Januar 2025)