Wie kann man die befreiende Erfahrung des Jubiläumsablasses machen?

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Card De Donatis - 1 Der Großpönitentiar der katholischen Kirche ermutigt uns, trotz des Zustands der Welt im Heiligen Jahr 2025 die Tugend der Hoffnung wiederzuentdecken.

Vom 21. bis 23. Oktober 2025 findet in Rom eine internationale Jubiläumswallfahrt des Ordens statt, zu der sich 3.000 Ritter und Damen angemeldet haben*. Auf dem Programm stehen das Durchschreiten der Heiligen Pforte der vier päpstlichen Basiliken sowie eine Papstaudienz. Im Rahmen der Vorbereitung auf dieses spirituelle Ereignis erklärt uns Kardinal Angelo De Donatis, Mitglied des Ordens vom Heiligen Grab und Großpönitentiar der katholischen Kirche, worum es beim „Ablass“ geht, der mit diesem Jubiläum 2025 verbunden ist, das sich um das Thema Hoffnung dreht.

 

Eminenz, welche Rolle spielt die Apostolische Pönitentiarie, für die Sie im Namen des Papstes verantwortlich sind? Die Apostolische Pönitentiarie ist das Organ der Römischen Kurie, das im Namen und im Auftrag des Heiligen Vaters die Barmherzigkeit Gottes gewährt.

Rechtlich gesehen ist sie wie ein Gericht organisiert, aber es ist ein ganz besonderes Gericht: Hier wird niemand verurteilt, und das einzige Urteil, das gefällt werden kann, ist die Vergebung, die Dispens, die Gnade. Darüber hinaus hat sie noch ein weiteres besonderes Merkmal: Ihre Rechtsprechung erstreckt sich auf das ‚Forum internum‘ des Menschen, das heißt sie betrifft den Rahmen der tief inneren Beziehung zwischen dem Gläubigen und Gott, in dem die Vermittlung der Kirche nicht dazu da ist, die sozialen Folgen dieser Beziehung zu regeln, sondern dazu, für das Wohl des Gläubigen und die Wiederherstellung seines Gnadenstandes zu sorgen. Aus diesem Grund geht normalerweise jeder, der sich an die Pönitentiarie wendet, über seinen Beichtvater, und der gesamte Vorgang ist durch eine vollständige und unverletzliche Vertraulichkeit geschützt.

Insbesondere fällt es in die Zuständigkeit der Pönitentiarie, die Absolution von reservierten Zensuren zu gewähren, sowie die Dispens von Irregularitäten (Weihehindernissen) beim Empfang oder der Ausübung der heiligen Weihen, die Gnade der Heilung in der Wurzel von ungültig geschlossenen Ehen, die Reduktion von Messverpflichtungen (Messstipendien) einzelner Priester. Darüber hinaus prüft und beseitigt die Pönitentiarie ganz allgemein Zweifel moralischer Natur und behandelt Gewissensfragen, die ihr vorgelegt werden. Ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Apostolischen Pönitentiarie fallen die Geistlichen, die in den päpstlichen Basiliken in Rom die Beichte abnehmen und das Apostolische Kollegium der Pönitentiare bilden. Schließlich ist die Pönitentiarie für alles zuständig, was mit der Gewährung und dem Gebrauch von Ablässen zu tun hat.

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Was bedeutet der „Ablass“, den die Kirche den Gläubigen anbietet?
Wir könnten den Ablass als das vollständige und umfassende Geschenk der Barmherzigkeit Gottes definieren, der gewissermaßen die Vergebung der Schuld krönt, die wir durch die Absolution im Sakrament der Versöhnung erhalten. In der Tat erhalten wir durch die Beichte den Nachlass unserer Sünden, und durch den Ablass werden auch all jene „Unreinheiten“ ausgelöscht, die wir als Folge der begangenen Sünden in uns tragen. Es handelt sich dabei um das, was die Kirche die „zeitlichen Strafen“ für die begangenen Sünden nennt.

Für den Gläubigen, der den Ablass empfängt, ist es praktisch so, als würde er in diesem Moment erneut aus dem Taufbecken steigen und in den ursprünglichen Gnadenzustand der Taufe zurückkehren. Ein wahres Wunder der Gnade!

Wir verstehen also, dass wir mit aufrichtiger Begeisterung und tiefer Dankbarkeit an diese Möglichkeit herangehen sollten, die uns durch die Kirche geschenkt wird. Die Ablasspraxis ist nicht im Entferntesten ein bloßes Erbe des Mittelalters, sondern ein wahrer Schatz, der im Geheimnis der von Christus gewirkten Erlösung selbst wurzelt.

Darüber hinaus sind die Werke, die für den Erhalt des Ablasses erforderlich sind – Gebete und Andachtsübungen, Bußübungen, Gesten der Nächstenliebe – bereits Zeichen und Mittel, um den Ruf zur persönlichen und gemeinschaftlichen Umkehr zu wecken und zu konkretisieren sowie auf dem Weg der Heiligkeit voranzukommen.

Kurz gesagt, ich sehe den Ablass gern als Mittel zur vollen und umfassenden Bekundung und Verwirklichung der zärtlichen Liebe Gottes zu jedem von uns.

 

Am 13. Mai 2024 wurden die Normen zur Erlangung des Ablasses während des ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025 veröffentlicht. Was sehen diese Normen vor?
Das Heilige Jahr stellt eine außerordentliche Gelegenheit zur Umkehr und Erneuerung dar, um zu einer vollkommenen Versöhnung mit Gott und unseren Brüdern und Schwestern zu gelangen. Und durch das Jubiläum scheint die Kirche ihren größtmöglichen Willen auszudrücken, Fürbitte zu halten und alles zu tun, was ihr durch die „Schlüsselgewalt“ zukommt, um ihre Kinder auf der Suche nach Läuterung und Vergebung zu unterstützen.

Die von der Pönitentiarie veröffentlichten Normen zur Erlangung des Jubiläumsablasses legen die Modalitäten, Praktiken und Orte fest, an denen es möglich ist, dieses Geschenk der Barmherzigkeit Gottes zu empfangen. Ich fasse sie hier soweit wie möglich zusammen und verweise für Einzelheiten auf die Lektüre des Textes. Die Gläubigen können im kommenden Heiligen Jahr einen vollkommenen Ablass erlangen, wenn sie die für alle vollkommenen Ablässe vorgesehenen Bedingungen erfüllen (Ausschluss jeglichen Hangs zur Sünde, sakramentale Beichte, eucharistische Kommunion und Gebete in den Anliegen des Heiligen Vaters) und bestimmte Werke vollbringen, die den Geist und das Thema des kommenden Jubiläums in Erinnerung rufen. Peregrinantes in spem:

- Wallfahrten nach Rom zu mindestens einer der vier Papstbasiliken; Wallfahrten ins Heilige Land oder zu einem der heiligen Jubiläumsorte, die von den Bischöfen in ihren jeweiligen Diözesen bestimmt werden.

- Die Verwirklichung bestimmter Werke der Barmherzigkeit, die den Bedürftigen das mütterliche Antlitz der Kirche zeigen.

- Das Praktizieren von Bußinitiativen.

 

Die Hoffnung ist das Thema des Jubiläums 2025. Wie können die Mitglieder des Ordens, die an diesem spirituellen Ereignis teilnehmen werden, diese Tugend wiederentdecken?
Die Erlangung eines Ablasses und ganz allgemein die Bekehrung, die geistliche Erneuerung und die Fortschritte der Gesellschaft in Sachen Gerechtigkeit und Nächstenliebe sind die Ziele, die die Päpste ermutigen, Heilige Jahre auszurufen. Jedoch hat jedes Jubiläum seine eigene Physiognomie, die durch die entsprechende Verkündigungsbulle definiert wird, die diese allgemeinen Ziele mit den besonderen Bedürfnissen der Kirche und der Gesellschaft der jeweiligen Zeit verbindet.

Papst Franziskus wollte die Gläubigen aufrufen, im Heiligen Jahr insbesondere die Tugend der Hoffnung wiederzuentdecken und „Pilger der Hoffnung“ zu werden. Und zwar weil die politischen und sozialen Ereignisse, die wir derzeit weltweit erleben – ich denke an all die Kriege nah und fern, die sich jeden Tag auszudehnen scheinen, an die Gewalt, die gegen unschuldige Opfer verübt wird, an die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die auf Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit zurückzuführen sind – der Sehnsucht nach Hoffnung, die im Herzen eines jeden Menschen schlummert, in irgendeiner Weise zu widersprechen und sie zu ersticken scheinen. Auch auf persönlicher Ebene werden viele von uns von zahlreichen Sorgen, von Arbeitslosigkeit, emotionalen und familiären Schwierigkeiten bedrängt, die in manchen Fällen sogar die Hoffnung vernichtet, wieder hochzukommen.

Möge das Heilige Jahr für alle ein Jahr der Gnade und der tiefen persönlichen und gemeinschaftlichen Erneuerung sein. All dies ist jedoch nur möglich, wenn wir in unserem Leben die Erfahrung der Begegnung mit „Christus Jesus, unserer Hoffnung“ (1 Tim 1,1) machen. Eine andere Welt ist möglich, wenn wir Jesus in unserem Herzen tragen und Er der Kompass wird, nach dem sich unser ganzes Leben ausrichtet, der Stein, auf den wir unsere Hoffnung gründen.

 

*Die Anmeldungen für diese Pilgerreise sind geschlossen.

Das Gespräch führte François Vayne

(April 2025)