Die Solidarität des Ordens mit den Gefangenen von Ventotene

Bericht über eine historische Jubiläumserfahrung

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Ventotene - 1

„Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,39-43)

Wir sind Männer und Frauen, die zu so viel Gutem fähig sind, aber wir können auch sündigen. Jesus lehrt uns eindeutig, dass wir nicht durch das definiert werden, was wir tun, sondern durch das, was wir sind: geliebte Kinder Gottes, der immer wieder zu uns kommt, um uns abzuholen, und der uns bis zum letzten Moment die Möglichkeit bietet, uns für Ihn zu entscheiden und bei Ihm zu sein. Wie die an der Seite Jesu gekreuzigten „Verbrecher“ sitzen heute so viele Gefangene ihre Strafe ab, und ihnen eine Gelegenheit zum Trost zu bieten, ist ein wichtiger Appell, den wir Ritter und Damen des Ordens vom Heiligen Grab uns im Laufe der Jahre zu eigen gemacht haben und den wir in diesem Jubiläumsjahr ganz besonders in Erinnerung rufen möchten.

Es war im Jahr 1953. Am 18. Juni empfing der Heilige Vater Pius XII. aus Anlass des Kongresses der Regionaldelegierten der Seelsorger der Strafvollzugs- und Präventivanstalten die Gruppe zur Audienz und segnete eine Statue der Jungfrau Maria, die der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem dem Gefängnis von Ventotene auf der kleinen Insel Santo Stefano schenken wollte. Die Statue „Maria Trost“ traf am 7. August in Gaeta ein und wurde dort laut der vom L'Osservatore Romano veröffentlichten Meldung auf einen Thron gestellt, den die Gefangenen für sie vorbereitet hatten und auf dem sie durch die Stadt Gaeta getragen wurde, bevor sie am 8. August auf dem Schiff Pellicano (zu Deutsch: Pelikan) eingeschifft wurde – ein Name, der an das Symbol der Eucharistie, das Geschenk des Trostes und der Gnade erinnert.

Der Orden vom Heiligen Grab, der den Insassen der Strafanstalt Santo Stefano dieses Geschenk machen wollte, war durch Mario Mochi, einem Würdenträger des Ordens, und zwei Ritter aus Neapel vertreten. Um die Heilige Jungfrau auf der Insel zu empfangen, waren neben den Häftlingen auch die Boote der Einwohner von Ventotene da, und an der Klippe neben dem Gefängnis waren drei Plakate mit großen, gut sichtbaren Aufschriften angebracht: „Dies ist ein Ort des Schmerzes...“, „…es ist ein Ort der Sühne...“, „…aber vor allem ist es ein Ort der Erlösung...“.

„Entlang der Arkaden, an den Fenstern, an den Türen, überall hingen kleine Fahnen und Girlanden sowie Inschriften, die Maria lobpreisen“, heißt es in dem Artikel der vatikanischen Tageszeitung, der am 10. und 11. August 1953 erschien und auch erzählte, dass viele Gefangene vor Rührung weinten. Einige von ihnen hatten die Freude, die Marienstatue abwechselnd auf ihren Schultern von den Klippen bis zum höchstgelegenen Punkt der kleinen Insel Santo Stefano zu tragen, von wo aus Maria noch heute – obwohl der Ort nach der Schließung des Gefängnisses im Jahr 1965 verwahrlost ist – diesen Teil der Welt beschützt, der so viel Leid, aber auch Reue und den Beginn eines neuen Lebens erlebt hat.

In den folgenden Tagen wurden Briefe von Häftlingen veröffentlicht, in denen sie über dieses Ereignis berichteten. Einer von ihnen schrieb: „Mit der Statue der Heiligen Jungfrau vom Trost, dem heiligen Symbol aller Mütter und unserer Betrübten im Besonderen, wollten Sie uns das ganz konkrete Zeichen der menschlichen Solidarität bringen, damit sie uns nicht nur tröstet, sondern auch Ansporn und Wegzehrung auf dem harten Weg der Existenz ist.“

In diesem Jubiläumsjahr, dessen Kalender der großen Ereignisse genau mit dem Jubiläum der Gefangenen enden wird, möchten wir daran erinnern, wie wichtig es ist, denjenigen nahe zu sein, die am meisten leiden. Zu den Voraussetzungen für einen Ablass während des Heiligen Jahres gehören Werke der Barmherzigkeit, wie in dem von der Apostolischen Pönitentiarie veröffentlichten Dokument zu lesen ist: „Weil wir ‚im Jubiläumsjahr aufgerufen sind, zu greifbaren Zeichen der Hoffnung für viele Brüder und Schwestern zu werden, die unter schwierigen Bedingungen leben‘ (Spes non confundit, 10), ist der vollkommene Ablass in besonderer Weise an Werke der Barmherzigkeit und der Buße gebunden, die Zeugnis von der unternommenen Bekehrung geben. Nach dem Beispiel und Gebot Christi werden die Gläubigen aufgefordert, Barmherzigkeit und Nächstenliebe zu üben, vor allem bei denen, die ihrer am meisten bedürfen“, zu denen auch die Häftlinge gehören.

Elena Dini


Unser Dank gilt Rosa Immacolata Cirone, der ehemaligen Regionalleiterin des Sekretariats der Haftanstalt Pistoia, die uns diese Geschichte erzählt und uns historische Dokumente zu diesem Thema geschickt hat.


(Marz 2025)