Das geweihte Leben und der Orden vom Heiligen Grab zu Jerusalem
Ein von den Klarissen von Nardò (Provinz Lecce, Italien) aufbewahrtes historisches Dokument, das bezeugt, dass Schwester Chiara di Gesù, Dienerin Gottes, im Jahr 1677 der „Bruderschaft der Heiligen Stätten von Jerusalem“ beitrat, die von den Franziskanern im Königreich Neapel verwaltet wurde.
Infolge mehrerer Interessensbekundungen im Lauf der Jahre von Ordensfrauen, die sich fragten, ob und eventuell wie sie unserer Päpstlichen Institution beitreten könnten, hat sich der Orden die Frage ihrer möglichen Mitgliedschaft in seinen Reihen gestellt. In der Vergangenheit wurde in bestimmten Fällen eine Auszeichnung an sie vergeben, doch gibt es die Möglichkeit, auch an alternative Wege zu denken? Nun möchte der Großmeister eine Diskussion zu diesem Thema anregen, die von der Geschichte der Ehrwürdigen Schwester Chiara di Gesù inspiriert wurde.
Aus Anlass meines üblichen Besuchs Ende August bei den Klarissen von Nardò (Lecce), sprachen wir dieses Jahr bei der Begegnung mit dieser kleinen Gemeinschaft eines der ältesten Klarissenklöster (1256) über die ehrwürdige Mystikerin, Schwester Chiara di Gesù, einer Dienerin Gottes, deren weltlicher Name Isabella D'Amato (1618-1693) war und deren Seligsprechungsprozess im Gange ist. Es handelt sich um die eindrückliche Gestalt einer geweihten Frau, die auf die Annehmlichkeiten ihrer adligen Familie verzichtete und ihr Leben dem Gebet und der Freundschaft mit dem armen und leidenden Christus weihte. Chiaras Liebe zum Kreuz Christi führte sie zu einer innigen geistlichen Beziehung, dank derer sie als eine mystische Gabe des Herrn das Geheimnis des Leidens und seiner Liebe noch einmal durchlebte.
Anschließend stellten mir die Ordensfrauen Fragen über die Tätigkeit des Ordens vom Heiligen Grab im Heiligen Land, und eine von ihnen sagte: „Wissen Sie, dass wir unter den Papieren, die der Ehrwürdigen Schwester gehörten, ihre Mitgliedschaft in einer Vereinigung zugunsten des Heiligen Landes gefunden haben?“ Verblüfft bat ich um die Reproduktion des Dokuments, das Sie auf dem Foto hier sehen.
Es handelt sich in der Tat um Schwester Chiaras Mitgliedschaft in der „Bruderschaft der Heiligen Stätten von Jerusalem“, die von den Franziskanern im Königreich Neapel organisiert worden war. Im Jahr 1677 wurde Sr. Chiara di Gesù unter die Wohltäter des Heiligen Landes aufgenommen, und gleichzeitig erhielt sie „viele geistliche Güter und viele [Mess-]Opfer, die an jenen Orten gefeiert wurden, die durch das kostbare Blut unseres barmherzigsten Jesus geweiht sind“.
Seit Beginn meiner Amtszeit als Großmeister des Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem habe ich mich gefragt, warum es unter den Mitgliedern des Ordens außer den Laien als Männer (Ritter) und Frauen (Damen) auch Bischöfe (Großprioren), Priester und Ordensmänner (als Prioren, Seelsorger und Mitglieder), aber keine Ordensfrauen gibt (wenn auch mit einigen seltenen Ausnahmen, wie es scheint).
Unser Orden hat eine tiefgehende Spiritualität, die im großen Geheimnis der Erlösung wurzelt. Darüber hinaus engagiert und beteiligt er sich an der Großzügigkeit (finanzieller Beitrag) gegenüber der Patriarchalkirche von Jerusalem und ihren Armen und entwickelt viele Initiativen der Freundschaft und der geistlichen Solidarität mit den im Land Jesu lebenden Gemeinschaften.
Da die Ordensfrauen (dasselbe gilt für die Ordensmänner) aufgrund ihres Armutsgelübdes nicht beständig und ex proprio eine finanzielle Verpflichtung übernehmen können, sind sie aus unserem Orden ausgeschlossen.
Man fragt sich, ob man nicht für diejenigen, die dies wünschen, und unter Achtung des Charismas, das jedem Orden eigen ist, die Möglichkeit einplanen könnte, sie unserem Engagement für das Land Jesu anzuschließen, indem sie ihren reichen geistlichen Beitrag leisten. Sr. Chiara di Gesù ist ein Beispiel, das in diese Richtung geht und uns inspirieren kann. Ihre franziskanische Spiritualität, ihre Askese angesichts des Kreuzes des Herrn, ihre tiefe Liebe zum gekreuzigten Christus und ihr Gebet weisen uns darauf hin, dass es in unserem Orden einen Raum gibt, den wir den Ordensschwestern anbieten und dabei von ihnen den geistlichen Beitrag und den Reichtum erwarten können, den sie durch das Gebet für das Wohl des Heiligen Landes, für den Frieden in dieser Region, für die Koexistenz zwischen den Gemeinschaften in einem Geist echter Brüderlichkeit leisten. Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, dass viele männliche und weibliche Ordensinstitute im Heiligen Land bereits präsent sind und mit großem Engagement und Großzügigkeit in der Kirche und in der bunt gemischten Gesellschaft dieser Region arbeiten.
Die eventuelle Öffnung für Ordensfrauen mit einer angepassten Formulierung kann das Engagement, das uns vom Apostolischen Stuhl anvertraut wurde, in einem Kontext der Einbeziehung nur bereichern, die den Eindruck einer Körperschaft vermittelt, die im Einklang handelt. Tatsächlich erhält eine große Zahl von weiblichen Ordensinstituten, die im Land Jesu tätig sind, die Unterstützung unseres Ordens in pastoralen, erzieherischen und karitativen Einrichtungen von großer Bedeutung.
In diesem Raum des Dialogs, der durch die Großmeister-Ecke eröffnet wurde, erscheint es mir daher angebracht, diese Gedanken mit Ihnen zu teilen, um Hinweise und Anregungen zu sammeln.
Fernando Kardinal Filoni
(1. Oktober 2020)