Das leere Grab ist nicht Leere von Gott. Sein Schweigen ist nicht Abwesenheit

Botschaft des Großmeisters zu Ostern 2020

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Ostern 2020

Die Fastenzeit, in der wir täglich vom Wort Gottes begleitet werden, hat uns auf Ostern hingeführt. Eine Fastenzeit, die in diesem Jahr völlig einmalig ist, weil sie mit einer Pandemie (Covid-19) zusammenfällt, die die Welt und unsere Programme auf den Kopf gestellt hat. Eine Fastenzeit, die jedoch für viele Menschen vielleicht zu einer Zeit des tiefen Nachdenkens über unsere Existenz („Was ist der Mensch?“), über das Geheimnis Gottes („Wo bist du?“) und über unsere Beziehung zu ihm („Wer bin ich für Gott?“) wird. Hier interessieren uns jedoch keine philosophischen und anthropologischen Antworten.

Die Heilige Schrift offenbart uns, dass der Schöpfer „in seine Nase den Lebensatem blies ... und der Mensch (ādām, die Erde) so zu einem lebendigen Wesen wurde“ (Gen 2,7). Aber wegen des Verlustes der Erkenntnis und seiner Entfremdung von ihm musste Gott „vielfältig und auf vielerlei Weise“ sprechen (Hebr 1,1). Dies schien jedoch nicht zu genügen, denn Angst und Schmerz quälten uns immer weiter, so dass wir meinten, dass sich in der Stille der Antwort, die wir uns gewünscht hätten, die Offensichtlichkeit der Abwesenheit Gottes kundtat. Jesus hingegen wurde durch seine Menschwerdung zur vollständigen Antwort Gottes, und das leere Grab, in dem alles zu verschwinden schien, stellte in Wahrheit nicht die Leere von Gott dar, sondern einen Mutterschoß, der das Leben wieder zutage bringen sollte – ein Leben, das jedoch nicht mehr so wie früher ist. Ostern wird in der Menschheit, die vom Leid und von dem unermesslichen Bösen verletzt ist, das sie manchmal unaufhaltsam zu überwältigen scheint (wie viele Übel, wie viele Kriege, wie viel persönliche Gewalt!), zu einer neuen Prophezeiung; es ist die Erneuerung der Beziehung zwischen Gott und seinem Geschöpf: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen? Ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände“ (Jes 49, 15-16). Dies ist für uns das Ostern Jesu!

Liebe Brüder und Schwestern, wir sind eingeladen, im Erstaunen der Maria Magdalena, der Frauen, des Petrus und Johannes vor dem leeren Grab die Verkündigung des Engels zu aufzunehmen: „Fürchtet euch nicht, ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden... ihr werdet ihn sehen". (Mt 28,5-7).

Ich möchte allen diese Verkündigung neu zusprechen und sie auf jedes Mitglied unseres Ordens ausdehnen, mit dem Wunsch, dass das Geheimnis des auferstandenen Jesus eine große Freude hervorruft, die Frieden bringt und unseren Geist erneuert. Seien Sie nun zusammen mit Maria, der Mutter Jesu, mit den Frauen und Männern, die den Herrn haben sterben sehen und die ihn begraben hatten, Zeugen seiner Auferstehung.


Fernando Kardinal Filoni


(12. April 2020)