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5_Das Unvorhersehbare annehmen: Der Bericht des heiligen Joseph

 

Liebe Freunde, wir sind am Ende unserer Reise angekommen. Die Weihnachtszeit dauert noch einige Wochen. In ihrer Weisheit schenkt uns die Kirche diese Tage, damit wir uns noch tiefer auf dieses Geheimnis einlassen und es unser Leben durchdringen lassen. Bei diesem letzten Treffen wollen wir Josef das Wort geben, dem anderen direkten Zeugen all dieser Ereignisse.

 

Joseph

Ich werde nicht wiederholen, was Maria bereits gesagt hat. Ich werde Ihnen etwas anderes erzählen. Ich wusste genau, dass wir als Juden gemäß der religiösen Tradition die Pflicht hatten, Jesus als unseren Erstgeborenen dem Allmächtigen zu opfern. So gaben wir ihm acht Tage nach seiner Geburt den Namen Jesus und nahmen ihn dann an dem im Gesetz des Moses festgelegten Tag mit in den Tempel, um Gott zu danken und das vorgeschriebene Opfer darzubringen: zwei kleine Tauben und zwei Turteltauben. Zum ersten Mal kam das Jesuskind an diesen majestätischen Ort der Heiligkeit Gottes. Dort trafen wir zu unserer Überraschung auf einen frommen, sehr alten Mann, der das Kind in seine Arme nehmen wollte. Unglaublich! Er erzitterte, erschauerte vor Freude und spürte innerlich, dass dieses Kind „das Licht sei, das die Völker erleuchtet und denen das Heil bringt, die auf die Barmherzigkeit Gottes warteten“. Während er den Herrn pries, trat auch eine ältere Frau hinzu: Sie hieß Hanna und diente seit vielen Jahren im Tempel. Auch sie begann, Gott für dieses Kind zu lobpreisen und sah in ihm die Erlösung der Menschheit.

Das war eine überraschende und tiefgreifende Erfahrung. Wir schwiegen und waren nachdenklich, doch Maria und ich stellten uns viele Fragen über die Zukunft unseres Sohnes.

In dieser Zeit änderte sich die politische Lage. Es begann das Gerücht zu kursieren, dass König Herodes von der Geburt eines Kindes erfahren hatte, von dem gewisse Weise meinten, dass es von königlicher Abstammung sei, und das sie suchten. Für ihn, diesen eifersüchtigen und harten Mann, und für seinen Ehrgeiz war dies ein schwerer Schlag, und ohne zu wissen, wer das Kind war oder wo es sich befand, ordnete er an, alle Kinder unter zwei Jahren im Dorf Bethlehem und Umgebung totzuschlagen. Was für ein Grauen!

Aus diesem Grund beschloss ich, Judäa, das Königreich des Herodes sofort zu verlassen. Und Ägypten war das nächstgelegene Land. So nahmen Maria und ich das Kind und unsere wenigen unentbehrlichen Habseligkeiten und machten uns auf den Weg nach Ägypten.

Lassen Sie mich sagen, dass die Geschichte, die Gott mit uns konstruiert, immer unvorhersehbar ist. Sie verläuft nicht reibungslos, sondern wird von dem menschlichen Auf und Ab durchzogen. Alle Väter und Mütter wissen das.

Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich möchte nur hinzufügen, dass wir nach dem Tod des Herodes, einige Monate nach unserer Flucht in unser Land zurückkehrten und nach Nazareth zogen. Dort, wo alles begann.

Das ist das liturgische Weihnachtsfest, das wir feiern!

 

(Abschließender Kommentar)

Grüßen wir nun geistlich diese kleine Familie, die sich in den letzten Tagen an uns gewandt hat.

Auf fast ideale Weise werden wir Joseph begegnen, der uns die Tür öffnet, uns begrüßt und uns einlädt einzutreten, denn ein Besucher, der an die Tür klopft, ist in der jüdischen Tradition heilig. Trotz der Kürze dieses Augenblicks der Gastfreundschaft wird Josef uns ein Stück von seinem Brot geben, unsere Fragen beantworten und uns Maria vorstellen, die uns mit einem freundlichen Lächeln ansehen und uns bitten, still zu sein, da das Jesuskind gerade schläft. Sie wird uns fragen, woher wir kommen und warum wir sie besuchen. Und schließlich wird sie uns zu dem neugeborenen Jesuskind führen, das seine Augen öffnen und mit seinem freudigen Blick ein Gefühl tiefen Friedens in uns wecken wird.

Jetzt ist Gott bei uns, das heißt er ist der Immanuel, was bedeutet „Gott mit uns“.

Als Geschenk für unseren Besuch wird Joseph uns bitten, die Armen, die verlassenen Kinder und das große Elend der Welt nicht zu vergessen. Es ist dann auch dienlich, eine konkrete Geste der Nächstenliebe vorzunehmen, die wie die Geschenke der Hirten und der Heiligen Drei Könige denjenigen ein wenig Trost spendet, die an Weihnachten darauf angewiesen sind.

 

Fernando Kardinal Filoni

 

(Dezember 2021)