„Ein Muslim, der aus unseren Schulen kommt, wird nie ein Fundamentalist werden“

Gespräch mit Pater Faysal Hijazen, Direktor der Schulen des Lateinischen Patriarchates von Jerusalem

Print Mail Pdf

„Ein Muslim, der aus unseren Schulen kommt, wird nie ein Fundamentalist werden“

Können Sie uns das Netz der katholischen Schulen im lateinischen Patriarchat von Jerusalem beschreiben? Wie viele gibt es, wie sind sie aufgeteilt, wo liegen sie, wie funktionieren sie usw.?

Das Netz der Schulen des lateinischen Patriarchates dehnt sich auf das ganze Gebiet des Patriarchates aus: Israel, Palästina und Jordanien. Es gibt drei Schulen und fünf Kindergärten in Israel, in denen 2700 Schüler aufgenommen werden. In Palästina gibt es 14 Schulen und genauso viele Kindergärten für 6200 Schüler. In Jordanien ist die Zahl höher: etwa 10.000 Schüler gehen in 25 Schulen (und genauso viele Kindergärten). Jede Schule funktioniert in Verbindung mit einer Gemeinde. Die Schulen befinden sich vor allem in den Dörfern, sie nehmen Christen sowie Muslime auf und stellen sich in den Dienst der Ärmsten. Das Netz der Schulen funktioniert in Verbindung mit den jeweiligen Kultusministerien.


Warum misst das Patriarchat diesen Schulen, in denen auch viele Muslime aufgenommen werden, eine so große pastorale Bedeutung zu?

Die Schulausbildung ist ein bedeutender Sektor des lateinischen Patriarchates. Der erste Grund ist, dass man durch die Erziehung auf die menschliche Person in ihrer gesamten Identität hinzielen kann. Um den Glauben des Volkes zu stärken, muss man in der Gesellschaft gegenwärtig sein und die Werte der Achtung und der Annahme des anderen weitergeben.

Die Muslime werden auch in diesen Schulen aufgenommen und haben in ihrer ganzen Schulzeit muslimischen Religionsunterricht. Ihre Gegenwart in der Schule gibt dem lateinischen Patriarchat die Chance, ihnen Werte wie die Offenheit für die anderen und die Achtung zu lehren. Das sind letzten Endes zutiefst christliche Werte: Nächstenliebe, Vergebung. Ein Muslim, der aus unseren Schulen kommt, wird nie ein Fundamentalist werden.


Wie bringen Sie die Kultur der Begegnung in den Schulen des lateinischen Patriarchates voran, durch welche Art von Initiativen?

Eine Stunde pro Woche wird der Religionsunterricht gemischt, Christen und Muslimen gemeinsam erteilt. Dabei werden große Themen wie zum Beispiel das Zusammenleben, das gemeinsame Lernen, die Begegnung mit den anderen behandelt. In der übrigen Zeit des Religionsunterrichtes sind die Schüler entsprechend ihrer Religion aufgeteilt.

Auch das tägliche Leben in der Schule ist eine Begegnung mit den anderen. Die Lehrer, die einen Sitzplan für das Klassenzimmer aufstellen, prüfen nicht, wer je nach Religion neben wem sitzt. Die Kinder, die im Schulhof Kassiererin, Lehrerin, Fußball, Murmeln spielen, spielen alle zusammen, ohne sich Fragen über die Religion des anderen zu stellen. Die Schulen des lateinischen Patriarchates erlauben, eine Brücke zwischen den Religionen und den verschiedenen Kulturen zu bauen. Diese Brücken gehen über alle Mauern hinaus, die die Herzen oft umschließen.


Worin ist das Handeln des Ordens vom Heiligen Grab entscheidend im Hinblick auf das Schulsystem des lateinischen Patriarchates?

Lassen Sie mich ganz klar sein: Ohne die Unterstützung des Ordens vom Heiligen Grab wären unsere Schulen seit langem geschlossen. Eine Schulausbildung ohne materielle Mittel ist eine Schule, die sehr schnell stirbt. Der pädagogische Auftrag des lateinischen Patriarchates von Jerusalem lebt dank des Ordens.


Das Gespräch führte François Vayne


(
2. Februar 2016)